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Trans* in der ärztlichen Praxis

Für viele trans* Menschen ist die ärztliche Beratung mit Hoffnungen auf ein selbstbestimmtes Leben im passenden Geschlecht verbunden. Wie Sie Ihre trans* Patient*innen erfolgreich und achtsam behandeln, wie Sie Diskriminierung in der ärztlichen Praxis vermeiden und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten, haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Ein Arzt steht in seinem Büro und lächelt freundlich in die Kamera.

Sensibilität und Vertrauen

Die ärztliche Beratung ist für viele trans* Menschen ein wichtiger Schritt hin zu einem positiven Verhältnis mit ihrer eigenen Identität. Die ärztliche Beratung hat Gewicht und nimmt sowohl Einfluss auf das körperliche als auch psychische Wohlbefinden der Patient*innen. Das bringt für Sie als Ärzt*innen viel Verantwortung, aber auch viele Chancen mit. Sie sind Vertrauenspersonen und in vielen Fällen auch Hoffnungsträger*innen.

Unter dem Begriff trans* fallen viele verschiedene Geschlechtsidentitäten. Deshalb ist ein individueller und sensibler Umgang besonders wichtig. Denn für Menschen, denen es schwerfällt, die eigene Geschlechteridentität anzunehmen, kann eine verfehlte Behandlung weitreichende Folgen haben. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) fand 2020 heraus, dass 15 Prozent der trans* Menschen in der Vergangenheit schon einmal ihre Ärzt*innen aufgrund negativer Erfahrungen wechseln mussten. Mit Wissen über sensible Punkte und mit einer offenen Haltung und Kommunikation können Sie die ärztliche Versorgung für trans* Menschen in Ihrer Praxis vertrauensvoll gestalten.

Tipps für einen sensiblen Umgang in der ärztlichen Praxis:

  • Kommunizieren Sie vorurteilsfrei und wählen Sie die Ansprache mit Bedacht. Fragen Sie nach dem gewünschten Personalpronomen sowie gegebenenfalls nach den präferierten Begriffen für Geschlechtsmerkmale.

  • Sprechen Sie Ihre Patient*innen mit ihrem gewünschten Personalpronomen an und informieren Sie auch das Praxisteam über die präferierte Ansprache.

  • Eignen Sie sich das besondere Fachwissen für die Behandlung von trans* Menschen an. Regionale und überregionale Trans*-Organisationen bieten diverse Materialien und Bildungsangebote. Oder Sie nutzen das Informations- und Beratungsangebot des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit.

  • Schaffen Sie einen vertrauensvollen Rahmen für das Beratungsgespräch.

  • Bedenken Sie das familiäre und soziale Umfeld Ihrer Patient*innen.

  • Nehmen Sie mögliche Negativerfahrungen Ihrer Patient*innen ernst und beziehen Sie diese bei der Beratung mit ein.

  • Erklären Sie detailliert das Vorgehen von Maßnahmen und ihren Nutzen für Ihre Patient*innen.

  • Bauen Sie keinen Druck auf und fordern Sie die Patient*innen nicht zu einer Rechtfertigung für ihren Wunsch nach einer Geschlechtsanpassung auf.

  • Legen Sie Informationsmaterialen in der Praxis aus und informieren Sie Ihre Mitarbeiter*innen über das Thema.

Transgeschlechtliche Menschen vor Konversionsbehandlungen schützen

Ein Extremfall von einer verfehlten Beratung bei der Geschlechteridentität sind sogenannte Konversionsbehandlungen. Ziel dieser Pseudotherapien ist, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität zu unterdrücken oder zu verändern. Es ist allerdings belegt, dass diese Therapien unwirksam, unethisch und sogar gefährlich sind. Denn sie führen häufig zu Angstzuständen, Isolation, Depressionen oder sogar zum Suizid. Der Gesetzgeber hat Konversionsbehandlungen daher in vielen Fällen verboten – und zwar für Minderjährige und für Personen, deren Einwilligung einem Willensmangel unterliegt. Ein Willensmangel liegt zum Beispiel vor, wenn die Person über den therapeutischen Nutzen der Behandlung getäuscht wird durch nicht hinreichende Aufklärung über vorhandene Risiken oder die nicht bewiesene Wirksamkeit der Behandlung. Auch das Bewerben, Anbieten und Vermitteln von Konversionsbehandlungen ist strafbar. Ganz klar ausgenommen sind jedoch operative Maßnahmen oder Hormonbehandlungen mit dem Ziel, dass eine Person sich ihrer selbstempfundenen Geschlechteridentität annähert, also Maßnahmen im Rahmen einer Transition.

Das Bild zeigt einen jungen Mann beim Arzt, der ihm gerade ein Pflaster auf den Oberarm klebt.

Eine bekannte Methode in Deutschland, um trans* Menschen von der geschlechtlichen Selbstverwirklichung abzuhalten, ist die Verweigerung von geschlechtsangleichenden Behandlungen (insbesondere Hormonbehandlungen). So üben Mediziner*innen, die Konversionsbehandlungen befürworten und geschlechtsangleichende Maßnahmen verweigern, oft Druck auf ihre trans* Patient*innen aus, damit diese ihr selbst empfundenes Geschlecht ablehnen. Sie vermitteln ihnen, dass ihr geschlechtliches Selbstempfinden eine behandlungsbedürftige Krankheit ist. Das stimmt aber natürlich nicht. In der ärztlichen Praxis gilt es vielmehr, die häufig jugendlichen trans* Patient*innen zu begleiten, ihnen Mut zu machen, ihnen Wissen bereitzustellen und ihnen bei Bedarf einen Weg zu geschlechterangleichenden Behandlungen aufzuzeigen.

Für viele trans* Menschen sind gerade geschlechterangleichende Behandlungen wichtig, um die eigene Geschlechtsidentität zu verwirklichen. Grundsätzlich ist es für trans*Menschen zwar möglich, dass die Krankenversicherungen ihre geschlechtsangleichenden Behandlungen finanziell tragen – aber es gibt Hürden in der gesundheitlichen Versorgung. Die Kosten werden nur übernommen, wenn die Diagnose »Transsexualität« gestellt wird. In vielen Fällen ist das aber gar nicht so leicht, denn dazu müssen sich die Patient*innen eindeutig selbst als männlich oder weiblich verstehen. Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen, wie nicht-binäre*, queere oder agender Menschen, können demnach nur auf eigene Kosten körperangleichende Behandlungen vornehmen lassen. Der hohe Aufwand einer Geschlechtsangleichung ist für viele finanziell nicht machbar.

Mit der 11. Revision der IDC fällt die Transsexualität ab 2022 unter die Kategorie »Zustände sexueller Gesundheit« und wird somit nicht mehr als psychische Störung angesehen. Zuvor wurde Transsexualität von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision) als psychische Störung (»mental and behavioural disorder«) eingestuft.

Der Weg zum eigenen Geschlecht

Die »Begutachtungsanleitung Transsexualität« (BGA) des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) dient Ihnen als Ärzt*innen als Orientierung, um die Diagnose »Transsexualität« zu stellen. Ein Teil dieser Bewertung ist beispielsweise, ob ein »krankheitswertiger Leidensdruck« besteht. Über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten sind dafür zwölf psychiatrische oder psychotherapeutische Sitzungen in der BGA vorgeschrieben. Zudem sollen die Patient*innen in der Regel »therapeutisch begleitete Alltagserfahrungen« in dem selbst wahrgenommenen Geschlecht machen. Alles mit dem Ziel, dass sie über einen ausreichend langen Zeitraum in allen Lebensbereichen ihr angestrebtes Geschlecht annehmen. Bei genitalverändernden Maßnahmen benennt der MDS einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten als angemessen für diese Alltagserfahrungen.

Diese Bedingungen für die Diagnose »Transsexualität« begründet der MDS damit, dass geschlechtsangleichende Behandlungen einen irreversiblen medizinischen Eingriff bei biologisch gesunden Körpern darstellen. Dadurch werde verhindert, dass Patient*innen die Geschlechtsangleichung im Nachhinein bereuen. Gleichzeitig ist Selbstbestimmung ein zentrales Menschenrecht. Trans* Menschen leiden häufig auch psychisch unter den strengen Regelungen, dem langwierigen Prozess und dem Selbsterklärungsdruck fremder Gutachter*innen.

Das Bild zeigt eine junge Frau lachend.

Zum Wohle der Patient*innen

Für trans* Menschen ist der Weg zur eigenen Geschlechtsidentität häufig lang und steinig. Als Ärzt*in geben Sie Halt, zeigen Möglichkeiten auf und geben Empfehlungen, wie Ihr*e Patient*in das eigene Ziel erreicht. Sie möchten sich weiterführend über die Diagnose, Beratung und Behandlung von trans* Menschen informieren? Der Bundesverband Trans* (BVT*) hat etwa einen umfangreichen Leitfaden veröffentlicht, der hilfreiche Tipps für den Alltag mitgibt und Ihnen die Sichtweise der Patient*innen vermittelt. So gelingt Kommunikation auf Augenhöhe und damit eine gute Behandlung. Auch auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) gibt es eine hilfreiche Übersicht mit Beratungsangeboten. Außerdem bietet das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit mit LIEBESLEBEN ein kostenloses Informations- und-Beratungsangebot an – das Beratungsteam unterstützt Sie gerne bei Suche nach passenden Hilfestellungen. Empfehlen Sie gerne das Beratungsangebot auch Ihren Patient*innen und ihren Angehörigen.